Wenn der Schein mal wieder trügt!

„Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist zuletzt auf ein Rekordtief gefallen.“
vs.
„Überlebt die Wirtschaft die Pandemie?“
 „Corona-Krise: Mittelstand fürchtet um Existenz vieler Firmen“
„Restrukturierungsbedarf steigt stark an – Corona-Pandemie trifft die deutsche Wirtschaft“

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist laut dem Statistischen Bundesamt zuletzt auf ein Rekordtief gefallen. August 2019 wurden knapp über 1.600 Unternehmensinsolvenzen beantragt, im August 2020 war diese Zahl auf 1.051 gesunken; der Monatsvergleich gegenüber August 2019 zeigt einen Rückgang von 35,4%. Betrachtet man nun den Zeitraum Januar-August beträgt die Veränderung gegenüber dem Vorjahr „nur“ 11,2%. Deutlich zu erkennen ist allerdings, dass die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise sich bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen widerspiegelt.

Wie kann das sein?

Was kontraintuitiv klingt, hat einen einfachen Grund. Die Insolvenzantragspflicht für zahlungsunfähige Unternehmen wurde vom 1. März bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Die Bedingungen waren zum einen die Auslöser der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung waren auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen) und zum anderen eine Aussicht auf Heilung der Zahlungsunfähigkeit.

Infografik: Ausgesetzte Antragspflicht drückt Insolvenzen auf Rekordtief | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Auch für Insolvenzanträge durch Gläubiger wurde vorausgesetzt, dass der Eröffnungsgrund bereits vor der Corona-Pandemie, also am 1. März 2020 oder früher, vorlag. Seit dem 1. Oktober 2020 ist ein Insolvenzantrag bei Zahlungsunfähigkeit wieder verpflichtend, allerdings gilt die Befreiung bei Überschuldung zunächst weiterhin bis zum Jahresende.

Der Trend hält an: Oktober verzeichnet noch weniger Insolvenzanträge

Die vorläufigen Zahlen zu den eröffneten Regelinsolvenzen im Oktober 2020 zeigt, wie bereits in den Vormonaten, einen deutlichen Rückgang der Verfahren. Im Vergleich zum Oktober 2019 sank die Zahl der eröffneten Regelinsolvenzverfahren um 45,8 %. Dieser Rückgang steht nicht im Einklang mit den ab dem 1. Oktober geänderten Rahmenbedingungen, denn statistisch gesehen ist Zahlungsunfähigkeit der wichtigste Grund für Insolvenzen. Eine Erklärung dieser unschlüssigen Veränderung findet man u.a. bei der teilweise langen Bearbeitungszeit der Gerichte – die tatsächliche Zahl der Insolvenzanträge wird sich somit im Laufe der nächsten Monate erhöhen.

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Das Rückgrat des deutschen Mittelstands, das verarbeitende Gewerbe, verzeichnete im Monatsvergleich zwischen August 2019 und August 2020 einen Rückgang der angemeldeten Insolvenzen um 43,1%. Aber auch hier kann mit Sicherheit festgestellt werden, dass die scheinbar positive Entwicklung nicht auf eine dramatisch verbesserte wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist.

Zieht man hierzu das Erkenntnis, dass einer repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom zufolge knapp zwei Drittel aller Unternehmen in Deutschland mit 20 oder mehr Mitarbeitern aufgrund der Corona-Krise staatliche Hilfe beantragt haben, werden die Aussichten nicht besser.

Experten rechnen aktuell mit einer Erholung der wirtschaftlichen Lage erst im Jahr 2022, in der Zwischenzeit ist mit einer steigenden Anzahl von Insolvenzen zu rechnen. Schätzungen der Bundesbank nach werden Unternehmensinsolvenzen in den ersten Monaten im Jahr 2021 auf mehr als 6.000 Fälle pro Quartal ansteigen, was im direkten Vergleich mit August 2020 einen Anstieg um rund 100% bedeuten würde.

Fazit: Wie sollten Unternehmen jetzt reagieren?

Der Einbruch der Wirtschaft durch die Coronakrise schlägt sich dank staatlicher Hilfsmaßnahmen und die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht noch nicht in den Insolvenzstatistiken nieder. Dies ist allerdings lediglich eine Momentaufnahme, denn es findet mehr eine Problemverschiebung als eine Problemlösung statt.

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